Recital in Ingolstadt

Liebesbündnis für Beethoven

[... Ingolstadt. Musizierende Ehepaare haben es wahrscheinlich doch leichter. Sie kennen sich genauer als andere Musiker, sie korrespondieren unkomplizierter, der eine Partner ahnt immer schon, was der andere beabsichtigt. Die Ehe als Rechtsinstitut vollkommener künstlerischer Kooperation? Gut möglich.

Beim Konzertabend des Duos Sabrina-Vivian Höpcker und ihres Ehemannes Fabio Bidini beim Konzertverein Ingolstadt konnte man jedenfalls kein tragisches Ehedrama erleben, sondern eine Art Liebesbündnis. Wobei die Geigerin Höpcker strahlend vorne auf der Bühne des Theaterfestsaals stand, glanzvoll und brillant, während ihr Mann ihr von der Seite liebevolle Blicke zuwarf, immer bereit sich am Flügel auf ihre rhythmischen Freiheiten einzulassen. Beim Applaus gewährte er ihr nobel den Vortritt. Ein Zeichen innerer Souveränität eines fantastischen Pianisten. […]

So war er auch im Konzert alles andere als ein Leisetreter. Bei Ludwig van Beethovens „Frühlingssonate“ war der Flügel weit geöffnet, als wollte das Duo die Bezeichnung des Komponisten, Klaviersonate mit obligater Violine, wörtlich nehmen. Und tatsächlich: Sabrina-Vivian Höpcker kann nicht nur die schwelgerischen Kantilenen des Kopfsatzes überraschend kraftvoll ausspielen, sondern sich auch völlig zurücknehmen, Begleitfiguren fast nur noch andeuten, um Raum zu schaffen für den Auftritt ihres Mannes. Überhaupt: Da reichten sich zwei Künstler musikalisch die Hände, der eine begann eine Figur und die andere übernahm die Hauptstimme in der Phrasierung so überzeugend, dass man aus dem Staunen kaum herauskam. Wobei Höpcker über einen ungeheuer großen Ton […] verfügt. […]

Und doch kann sie auch ganz anders. Im zweiten Satz der Beethoven-Sonate hauchte sie die Töne, eine vernebelte Klangpoesie.

Bei allem Hang zum charaktervollen Musizieren, blieb das Duo doch immer in der Sphäre des Wohllautes. Extreme, den Fluss der Töne zerstörende Forzati, hörte man nicht, sie wären dieser frühlingshaften Musik Beethovens auch wesensfremd. Wie überhaupt die beiden Musiker Wert auf Melos legten an diesem Abend. Das traf auf die „Frühlingssonate“ genauso zu wie auf die optimistisch gestimmte F-Dur-Sonate Mendelssohns am Konzertende und auch auf die Virtuosenstücke in der Programmmitte.

Der Übergang von der Klassik zur Spätromantik gelang tadellos. Höpcker zeigte noch einmal einen gänzlich anderen Tonfall: vibratosatt, schmelzend. Bei Pablo de Sarasates „Romanza Andaluza“ und fast noch mehr bei dessen „Ziegeunerwiesen“ kommt alles auf die Nuancierungskunst der Interpreten an. Höpcker brachte die Saiten zum Glühen durch genau die winzigen Verzögerungen im Tempo, die kleinen Verschmierungen zwischen den Tönen, die für diese Musik so entscheidend sind. Um dann im Schlussteil der „Ziegeunerwiesen“ mit kühler, „technischer“ Brillanz und flinken Fingern das Publikum zu verblüffen.

Henri Wieniawski „Legende“ spielte Höpcker mit leuchtenden Doppelgriffen von fast orchestraler Schwere, und in dessen „Polonaise“ op. 4 bewies sie volkstümliche Rasanz.

Stürmisch-optimistischer, melodienseliger als mit der erst 1953 wiederentdeckten Mendelssohn-Sonate kann man ein Konzert kaum ausklingen lassen. Es spricht für Höpcker und Bidini allerdings, dass sie sich dieser ausgelassenen Stimmung nicht vollkommen hingaben. Ausgerechnet ihre Darstellung des sehr innigen, etwas wehmütigen langsamen Satzes wurde zu einem der Höhepunkte.

Ein Abend voller berauschender Musik mit zwei hinreißenden Interpreten – kein Wunder, dass drei Zugaben vom begeistert applaudierenden Publikum verlangt wurden. Wobei besonders die imposant hochpolierte Version von Mendelssohns Lied „Auf den Flügeln des Gesangs“ imponierte. Denn der Titel hätte auch das Motto des Abends sein können. ...]

Quelle: Donaukurier Ingolstadt
Datum: 07. März 2016
Text: Jesko Schulze-Reimpell – gekürzt


Bravourös

Rezension Sabrina Vivian Höpcker und Fabio Bidini musizieren im Einklang

[... Glanzvoll: Sabrina Vivian Höpcker (Violine) im herausragenden Zusammenspiel mit ihrem Ehemann Fabio Bidini (Klavier).

Sabrina-Vivian Höpcker in Ingolstadt

Ingolstadt Die herausragende Violin-Solistin Sabrina Vivian Höpcker und ihr Ehemann, der renommierte Pianist Fabio Bidini, sind in Ingolstadt keineswegs unbekannt. Beide konnten auf Einladung des Konzertvereins in der Vergangenheit musikalisch überzeugen. Der gut besuchte Duo-Abend im Theaterfestsaal machte deutlich, wie glanzvoll die beiden Interpreten zusammenwirken können.

Gleich zu Beginn bei Beethovens bekannter Frühlingssonate, op.24, wirken die Sätze ungeheuer lebendig, höchst ausdrucksvoll, dynamisch einfühlsam und kreativ durchgestaltet. Kraftvoll, differenziert, fast etwas introvertiert, verdeutlicht Sabrina Vivian Höpcker ihr enorm steigerungsfähiges Spiel. Ihr Partner, Fabio Bidini baut dabei nicht auf individuelle Eigenmächtigkeit, sondern stellt sich ganz und gar in den Dienst einer so erstaunlich dezent erzeugten Spannung, zwischen Violine und Piano, die letztlich eine vielleicht im ersten Moment ungewöhnliche innere Vertiefung erfährt. Kontrastreich, schlank serviert, geradezu zwanglos entrückt das Adagio. …

Beim musikalischen Bogen von der Klassik zur Spätromantik, zwischen Beethoven, Wieniawski ( geboren in Lublin) Sarasate und Mendelssohn spürte das Publikum immer wieder, wie intensiv, farbenfroh die virtuose Gestaltung in den Mittelpunkt rückt und wie sehr sich Kraft, Dramatik und ein überaus sensibler Zugang zu den Werken die Waage hält.

Besonders bei Sarasate, dessen Werke durch spanische Folklore inspiriert sind, entpuppte sich enorme kreative Energie. Das Ganze kommt verspielt, technisch überaus präzise, fast lässig daher. Die beiden Ausnahmemusiker reizen aber in ihrer treffenden und wirkungsvollen Interpretation keineswegs Extreme aus, sondern stellen sich einer höchst anspruchsvollen Musik, die zwar hinsichtlich der Darbietung eher unspektakulär wirkt, die man dafür aber umso mehr intuitiv verinnerlichen kann. ...]

Quelle: Augsburger Allgemeine
Text: Johannes Seifert – gekürzt
Datum: 07. März 2016
Foto: Johannes Seifert