Beau Soir – schöner Abend!

[... Sabrina-Vivian Höpcker und Fabio Bidini in Hamelns Sommerserenade.

War es in Bezug auf das Programm ein Aperçu, das Sabrina-Vivian Höpcker und Fabio Bidini dazu veranlasste, Debussys "Beau Soir" an die erste Stelle ihrer Zugaben zu setzen – oder war es selbstbewusste Sicherheit, dass dieser Titel die Sommerserenade im Haus der Kirche treffend beschreiben würde?

Beides ist denkbar, Letzteres mehr als nur gerechtfertigt. Wann hört man schon die im Jargon oft herabwürdigend als "Schmunzetten" bezeichneten Stücke wie Wieniawskis "Legende" so schön erzählt oder die "Havanaise" von Saint-Saëns so intensiv konturiert? Und wann die diesen Werken innewohnenden Raffinessen bis in den kleinsten Atemzug verifiziert?

Das Programm war vollständig auf populäre Virtuosität angelegt. Wer Mendelssohns Werke für Klavier-Kammermusik kennt, weiß, dass der Komponist mit höchsten Ansprüchen an die zehn Pianisten-Finger nicht sparte. Das ist auch bei dieser dritten und letzten seiner (vollendeten) Violinsonaten der Fall. Da geht der Klavierpart deutlich über das hinaus, was noch unter dem Stichwort Begleitung einzuordnen ist und steht etlichen romantischen Klavierkonzerten kaum nach.

Gleichwohl geriet Fabio Bidini nie in die Nähe pianistischen Auftrumpfens, sondern blieb dezent und zugleich zupackend in einer profilierten Partnerschaft mit Sabrina-Vivian Höpcker und der Violinstimme.

Den Klang des Grotrian-Steinweg hörte man noch selten in solch hohem Maße differenziert. Es gehört zum guten Brauch, dass Geiger einen Soloabend mit einem solistischen Werk beginnen. Sabrina-Vivian Höpcker machte da keine Ausnahme und wählte Fritz Kreislers "Recitativo und Scherzo-Caprice". Knapp vier Minuten komprimierte Virtuosität, angefangen vom durchgängig zweistimmigen Recitativo bis zum rasanten Tempo des Scherzos. 

Schon unter normalen Umständen ist das als Einstieg ein gewisses Wagnis, das sich bei den derzeitigen Temperaturen noch um ein Mehrfaches erhöhte. Für Sabrina-Vivian Höpcker war das aber offenbar kein Problem. Mit traumwandlerischer Sicherheit formte Sie die inneren Konturen der berühmten Kreisler-Komposition und von Mendelssohns Sonate. Ein großartiger Beginn, der den Appetit auf Saint-Saëns "Havanaise" sowie Wieniawskis "Legende" und "Polonaise de Concert" noch steigerte.
Er wurde nach der Pause dann auch vollauf bedient.

Sabrina-Vivian Höpcker pflegt einen Stil, der sich deutlich von dem so manch berühmter Kollegin unterscheidet. Während des Spiels steht sie wie angewachsen auf einem Punkt.

Hoch konzentriert gilt jede einzelne Bewegung ausschließlich der Gestaltung, nichts der Show. Auch insofern sind Höpcker und Bidini ein bemerkenswert stimmiges Duo, dem in außerordentlicher Übereinstimmung alles gelingt.

Der Wiener Schmelz (nicht Schmalz!), die Übertragung der rhythmischen Impulse einer französischen Habanera und der ansteckender Witz der zweiten Zugabe, William Krolls "Banjo and Fiddle".

Tatsächlich: "Beau Soir"! ...]

Quelle: Deister-Weserzeitung, Text: Karla Langehein